Freitag, 3. April 2009

Vom Brunini zum Ferensch

Nach zwei relativ bewegten Tagen in Accra, hat Jirma mich in aller Herrgotts Früh am Samstag zum Flughafen gebracht. Eigentlich ging mein Flug um kurz nach zehn, der Mann von Ethiopian Airlines meinte allerdings, ich solle um 7:30h am Flughafen sein und Jirma meinte, auf Grund des Verkehrsaufkommens, sollten wir schon gegen sechs los fahren...war vollkommen überflüssig. Zum Flughafen haben wir – zu Jirmas Verwunderung... - eine halbe Stunde gebraucht, der Check-in ging erst gegen acht los und zu allem Überfluss meinte die Dame am Schalter, dass mein Flug schon jetzt zwei Stunden Verspätung hätte. Ein Hoch auf Ethiopian Airlines – wenn man sich auf eines Verlassen kann, dann darauf, dass die auf jeden Fall Verspätung haben! Ich hab mich also auf einen Kaffee und ein Omlette in ein sündhaft teures Café gesetzt und habe ein Schwätzchen mit der Bedienung gehalten, die mir dann irgendwann gestanden hat, dass sie mich soooooo gerne als Freundin haben würde und auch noch nie, nie, nie in Deutschland war. Hm, mein Bedarf an Freunden ist schon gedeckt...noch mehr kann ich beim besten Willen net unterbringen :-P
Endlich am Gate hat das Flughafenpersonal noch zweimal entschuldigend erklärt, dass die Maschine noch später kommen würde wegen IRGENDETWAS. Letzten Endes waren es dann über drei Stunden.
Ich stand dann um kurz nach zehn auf äthiopischem Boden. Visum erstanden für 20$, völliges Chaos an der Passkontrolle, dafür hab ich dann umso schneller meinen Rucksack bekommen. Ich sollte eigentlich von einem Verwandten über 50 Ecken abgeholt werden, wie sich später rausstellen sollte, hat der auch gewartet, aber leider haben wir uns net erkannt und dummerweise funktionieren hier auch meine Handies nicht, wegen der Chinesen...muss man nicht verstehen, ich verstehe hier auch einiges nicht ;).
Addis ist kalt. Ich bin von 45 Grad im Schatten in 10 Grad bei stockdunkler Nacht transferiert worden - ohne Vorwarnung. Es war ar...kalt! Die Taxisuche ging mir auch schon nach den ersten paar Minuten total auf die Nerven und die penetranten Taxifahrer haben mich auch voll beschissen. Ich hab, trotz besseren Wissens, dann allerdings doch die 10$ bezahlt, wobei eine Fahrt vom Flughafen zum Cozy Place eigentlich nur 40 Birr kosten – ich habe dann quasi 120 Birr gezahlt. War mir aber irgendwann egal, weil ich keinen Bock auf Diskussionen hatte, schließlich gings schon mit riesen Schritten auf Mitternacht zu. Und diese Saftsäcke sind sich darüber natürlich vollkommen im Klaren.
Das Cozy ist recht schön. Die Leute sind super nett, es ist relativ ruhig und liegt trotzdem sehr zentral. Hier sind ne Menge Ausländer abgestiegen. Thomas und Sabine z.B. oder Alex und Tobi aus Deutschland (Thomas studiert in Freisingen Forstwirtschaft und sammelte in Äthiopien Daten für sein DA über Umweltwahrnehmung, Sabine studiert in Stuttgart Malerei und hat den Thomas für zwei Monate besucht, Alex und Tobi schreiben in Geografie ihr DA). Aber auch Anna (Peace Corps Volontär, die sind wie ne Seuche) und Josh (Ph.D. Student aus South Carolina) aus den US and A treiben sich hier rum. So ein paar Spanier und eine Polin sind auch anwesend. Also, ein absoluter Ferensch-Place.
Sonntags ist in Addis leider net sooo viel los. Ich bin 'Lucy' besuchen gefahren, deren 'Fälschung' im National Museum rumliegt. Ich habe Lucy – die echte – schon vor 9 Jahren auf der EXPO 2000 in Hannover getroffen. Momentan hängt sie wohl in London ab. Lucy, oder Dinknesh (wunderbar) wie sie auf Amharisch heißt, ist ein Australopeticus afarensis und hat schon 3,18 Millionen Jahre aus dem Buckel. Sie ist nach dem Beatles Song 'Lucy in the sky with diamonds' benannt worden und wurde 1974 von einem Dänen (?) namens Johansen entdeckt. Die Dame ist bzw. war mit ihren 1,1 Metern recht klein. Vor ca. 9 Jahren hat einer dann mal Selam (the earliest child) aus dem äthiopischen Boden gebuddelt, der mit 3,3 Millionen Jahren noch älter ist als Lucy, momentan noch in der Präparation. Ansonsten war das Nationalmuseum relativ enttäuschend. Net viel los, obwohl Äthiopien doch die Wiege der Menschheit ist. Daraus könnten die hier mal ruhig etwas mehr machen! Den Rest des Tages bin ich etwas in der Gegend rumspaziert und hab mir mal angeguckt, wo ich da gelandet bin. Im Vergleich zu Accra sind die Straßen in Addis geteert und relativ sauber. Die Autos sind nicht annähernd so kaputt. Was mit Ghana zu vergleichen ist, ist die Art und Weise, wie die Leute hier Ausländer über den Tisch ziehen. Das hat mich schon in Ghana so aufgeregt, dass die Leute nicht mit sich verhandeln lassen. Die geben dir teilweise das 6fache des eigentlichen Preises an, nur, weil du weiß bzw. Ausländer bist. Die lassen auch net mit sich reden. Du bist weiß, du bist reich, also zahl gefälligst auch mehr. In Ghana nehmen die auch einfach dein Geld net an, wenn du denen dann welches gibst – also, den Preis zahlst, von dem du weißt, dass es der richtige ist. Na ja, wenn die mein Geld net wollen, denn eben net. Scheinen es ja net nötig zu haben, Geschäfte zu machen. Also nix mit Basar wie in Kairo zum Beispiel.
Äthiopier sind ein unglaublich stolzes Volk. Die sehen sich auch net als Afrikaner an (allerdings auch net als Araber...keine Ahnung, was die sonst sein sollen), sondern als etwas viel „besseres“. Die sagen z.B. als Gott die Menschen erschaffen hat, hat er eine Figur in einen Ofen gesteckt und backen lassen...er hat sie aber leider zu spät herausgenommen und sie war schwarz und verkohlt. Das waren die Afrikaner. Bei der nächsten Figur wollte Gott es besser machen und hat sie viel früher aus dem Ofen genommen, was dazu führte, dass sie weiß und nicht richtig durch war. Das waren die Weißen. Jetzt wollte Gott es richtig machen, nahm eine dritte Figur, schob sie in den Ofen und ließ sie kürzer als die Schwarzen jedoch länger als die Weißen im Ofen und raus kam: Der Äthiopier. :)
Addis wird von den Äthiopiern auch als Hauptstadt des gesamten Kontinents gesehen. Nicht nur, weil sie hier den größten Freiluftmarkt in ganz Afrika haben (den Merkato), sondern weil hier z.B. auch das Headquater der African Union ist. Und ich glaub, für die UN ist Addis auch ein wichtiger Knotenpunkt.
Was mir noch aufgefallen ist, dass es in Accra eher eine Mittelschicht gab. Hier gibt’s nur entweder ganz reich oder eben bettelarm. In Accra hab ich auch net so viele Menschen auf der Straße betteln sehen, wie hier in Addis.
Am Nachmittag gabs dann noch eine Kaffee-Zeremonie. Endlich wieder richtigen Kaffee...war ja net mehr auszuhalten mit dem Nescafé-Instant-Kram in Ghana. Abends hab ich mich dann noch mit Thomas und Sabine auf die Terrasse gesetzt und wir haben unsere Eindrücke ausgetauscht. Für Montag hab ich mir einen Fahrer organisiert, der mir mal die Stadt zeigen sollte. Außerdem wollte ich ein paar Dinge für meine Mutter besorgen und ich hab mir so überlegt, dass es vielleicht besser wäre, einen Local mit zu haben, damit die mich hier net so bescheißen. Er hat mir erstmal alle orthodoxen Kirchen in Addis gezeigt, das Sheraton und Hilton, alle möglichen Wahrzeichen und auf den Ntoto sind wir auch rauf. Vom Ntoto aus kann man auf ganz Addis hinunter sehen, außerdem ist auf ihm der Palast von Menelik, der war hier König um 1890 (bzw. 1982 nach äthiopischen Kalender, die sind uns nämlich 8 Jahre hinterher) und die älteste orthodoxe Kirche Äthiopiens. Im Museum hab ich ne kleine Führung bekommen, in der mir der Guide die ganze Zeit von der Bescheidenheit Meneliks vorgeschwärmt hat, der sogar auf einem Muli statt auf einem Pferd geritten ist und kein richtiges Bett hatte...Ich bin dann weiter zu seinem ''Palast“, der auch relativ armselig war, wenn ich das mal so mit Neuschwanstein vergleiche...oder so. Aus lauter Bescheidenheit musste ich dann auch nicht den Ferensch-Preis bezahlen (dreifach), sondern einen zwischen Local und Ferensch, weil ich ja Halb-Äthiopierin bin...(doppelt).
Addis liegt ja schon 2400m hoch, der Ntoto hat noch mal ne Höhe von 3200m...ich bin hier die ganze Zeit ganz schön am japsen. Da oben bin ich schon nach drei Stufen fast kollabiert, weil ich keine Luft mehr bekommen habe. Voll krass. Mein Körper ist fleißig dabei, rote Blutkörperchen zu bilden, allerdings wird das wohl noch eins, zwei Wochen dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe. Am Fuße vom Ntoto liegt ein kleiner Markt mit so traditionelle Sachen. Dort habe ich mich dann erstmal etwas versorgt mit Gabi (Decke) und Schals. Dann gings weiter zum Merkato, der ein Gewühlt von Menschen und Tieren ist. Dort gibt es alles zu kaufen, man muss sich nur trauen, in die ganzen Verwinkelungen einzutauchen und dabei verdammt auf seine Sachen aufpassen. Ich musste mir einen kleinen Trolli besorgen, um die ganzen Dinge irgendwie nach Hause zu schaffen. Ja, damit hab ich eigentlich auch schon alles gesehen, was es so in Addis zu sehen gibt. Hm.
Den Abend hab ich erst mit einem Gespräch mit Josh, Tobi und Alex und danach beim Pizza Essen mit Thomas und Sabine verbracht. Die fliegen nämlich am Dienstag. War meine erste Pizza seit Monaten...Gegen drei hat mich dann der Cousin meiner Mutter, Dr. Shiferow, abgeholt. Wir sind erst ins Seminary, wo er unterrichtet und danach zu ihm nach Hause. Es gab Watt und Injera und ein etwas anstrengendes Gespräch. Ihr müsst wissen, genau wie in allen afrikanischen Ländern, gibt es auch in Äthiopien verschiedene Stämme. Neben den Oromos, zu denen meine Mutter und der Rest der Familie gehört, gibt’s noch die Amharas und die Tigres aus Eritrea – und noch viele, viele andere kleinere Stämme. Die Oromos und die Amharas sind seit ich denken kann ~verfeindet~, also, sie mögen sich net sonderlich...so Bürgerkriegs-BlaBla. Was soweit führt, dass, wie es in meiner Familie passiert ist, Kinder aus der Familie verstoßen werden, wenn sie sich für einen Partner eines anderen Stammes entscheiden. Ich finde das mehr als scheiße und hab das auch mal auf meine unnachahmbaren Art kommuniziert. Drei Stunden ging die Diskussion. Er selber findet das Verstoßen an sich auch nicht gut, aber die Amharas sind eben trotzdem nix, womit man sich abgeben sollte. Die sind einfach zu arogant...und sie haben sich nie dafür entschuldigt, was sie den Oromos angetan haben. Es sind natürlich net alle schlecht...Nun ja, ich will euch jetzt nicht mit dem geschichtlichen Hintergrund dieses 'Hasses' langweilen. Nur soviel, die Oromos kommen eigentlich aus Madagaskar und die Amharas eigentlich aus dem Norden Afrikas – an der Sprache kann man das erkennen. Dementsprechend haben wir zumindest gemeinsam, dass uns Äthiopien als das, was es ist, nicht unsere Wiege war - weiß also gar net, was das alels soll. Shiferow fühlt sich übrigens auch net als Äthiopier, sondern als Oromo – nix hier mit Unity und wir sind alle eins...Alles insgesamt etwas anstrengend und nicht sonderlich nachvollziehbar für meinen Deutschen Schädel- aber leider nun mal Teil Äthiopiens, denn er ist net der einzige, der so denkt.
Ach...und Genni hat ne neue afrikanische Frisur :)...ein Mitbringsel aus Ghana! Hier auf meinem morgendlichen Ausguck...übrigens bin ich genau in diesem Outfit auch im Januar aus Deutschland abgeflogen :)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen